Zuviel an Handy und Computer - zuwenig an Zuwendung und Beachtung
Mögliche Ursachen für Verhaltens- und Sprachstörungen
Die österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde warnt: „Wenn Kinder früh täglich und stundenlang ohne Kontrolle mit Geräten wie Smartphones oder Tablets spielen, können sie Sprachentwicklungsstörungen und Verhaltensstörungen sowie ‚Pseudo-Autismus‘ entwickeln“.
Dass viel Medienkonsum schädlich ist, ist schon lange bekannt. Aber dass dies sogar zu einem solchen Ausmaß von Störungen führen kann, ist sehr erschreckend.
Bei einem Spaziergang durch die Stadt fällt mir auf, dass jedes 2. Kind, das in einem Kinderwagen sitzt ein Handy in der Hand hält. Ich treffe mich mit einer Freundin im Cafe, gegenüber sitzen zwei Frauen mit Kindern. Die Frauen unterhalten sich gut, die Kinder auch – jedes ist mit einem Handy beschäftigt.
Eine Zugfahrt in der ersten Klasse ist sehr entspannt. Das einjährige Kind, das mit seiner Familie gegenüber sitzt, schaut ins Handy und gibt keinen Mucks von sich.
Eine Kollegin aus dem Kindergarten erzählt, dass ein Kind beim Bringen und Abholen sofort das Handy in die Hand gedrückt bekommt und sich dann passiv und ohne Widerstand aus- und anziehen lässt.
Was passiert mit uns? Ist die Beschäftigung mit dem Gegenüber zu einer Anstrengung verkommen? Warum muss jede/r ruhiggestellt werden? Kann man überhaupt von ruhigstellen sprechen oder ist es eine Form von Ablenkung durch intensive Reizeinwirkungen?
Fachleute beschreiben, dass die unmittelbare Kommunikation, das Zuwenden, Beachtung schenken, Interesse für den Anderen … uns Menschen zu dem macht, was wir eigentlich sind – kommunikative und emotionale Wesen. Durch Interaktion erwerben Kinder Sprache und die Fähigkeit, Gefühle zu erkennen und zu benennen. Das gemeinsame Spiel fördert die soziale Kompetenz, Kinder lernen auf ihre Umwelt zu reagieren.
INFO:
„Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war“ ist ein Zitat vom Philosophen John Locke und er weist auf die lerntheoretische Wissenschaft hin. Wir Menschen müssen alles begreifen (also mit all unseren Sinnen wahrnehmen) bevor wir etwas in unserem Denken begreifen und verstehen. Und da reicht es nicht aus, wenn die Daumen und einzelne Finger vorherrschend genutzt werden. Damit sich kognitive Fähigkeiten ausbilden können, brauchen Kinder Bezugspersonen, die ihnen Sicherheit und Halt geben und mit ihnen in wechselseitiger Interaktion stehen.
Woher kommt die Unruhe, die unsere Kinder genau dann zeigen, wenn es für uns unangenehm ist? Sie wollen auch Teil des Ganzen sein und beachtet werden. Und die Bedürfnisse der Kinder sind einmal andere, wie die Bedürfnisse von uns Erwachsenen. Könnten Sie sich vorstellen, alle tollen Dinge, die es zu entdecken gibt, so vorbeiziehen zu lassen? Wir wollen aktiv daran teilhaben und Kinder umso mehr. Sie brauchen vielfältigste Möglichkeiten, sich ganzkörperlich zu betätigen. Der Einfluss der Medien und deren Reiz sind sehr groß geworden, die Räume, um sich ganzheitlich zu bewegen, dafür kleiner und fast verdrängt.
Als Eltern ist es schwer, hier einen guten Mittelweg zu finden. Medien sind wichtig, denn sie liefern uns sehr unkompliziert jegliche Art von Informationen und lassen uns damit gedanklich in eine andere Welt versetzen. Aber muss das immer sein? Das reale Leben bietet so viele Möglichkeiten, etwas gemeinsam zu erleben und zu erfahren und unsere Welt mitzugestalten – und das mit all unseren Sinnen!
TIPPS für einen guten Umgang mit Medien
(siehe Richtlinien der ÖGKJ)
Kinder unter 2 Jahren
Medienverzicht (d.h. auch nicht mitschauen oder zuhören, wenn Eltern nebenbei fernsehen)
Vorschulkinder
Maximal eine halbe Stunde pro Tag vor einem Bildschirm. Hier ist zu empfehlen, dass gemeinsam diese Medien genutzt werden. So kann das Kind bei Situationen die z.B. Ängste auslösen, begleitet werden. Hörbücher sind eine wunderbare Ergänzung!
Bis zum Jugendalter
Schrittweise Erhöhung der Medienzeit bis zu maximal zwei Stunden pro Tag. Hier ist wichtig, gemeinsam die Auswahl zu treffen und zu berücksichtigen, welche Handyspiele z.B. für das Alter und das Kind passend sind.
Medienfreie Zonen und Zeiten vereinbaren
z.B. kein Medienkonsum beim Essen
Zum Weiterlesen
Buchtipp Leonie Lutz und Osthoff Annika (2022): Begleiten statt verbieten: Als Familie kompetent und sicher in die digitale Welt. Kösel-Verlag, ISBN-10 : 3466311861
Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde: www.kinderaerzte-im-netz.at
MMag. Dr. Sabine Peinsipp-Hölzl
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